Hören und Verstehen

Der eigentliche (mechanische) Prozess des Hörens endet mit der Weitergabe der Schallsignale an die Hörnerven. Dieser Vorgang findet in der Hörschnecke (Cochlea) statt. Danach entwickelt sich ein komplexer (chemischer) Verarbeitungsprozess über die Hörbahnen und die Hörareale des Gehirns, bei dem aber auch zahlreiche andere Hirnregionen  mit eingebunden sind.

Die Signale der anderen Sinnesorgane, die gespeicherten Erinnerungen, Gelerntes und gespeicherte Emotionen, bekannte Erfahrensmuster, usw…alles wird gleichermassen  durch die Milliarden Nervenzellen unseres Gehirns wahrgenommen, gewertet und geordnet. Die auditiven Informationen die den Hörnerv erreichen sind nur ein Element in diesen Verarbeitungsprozessen.

Natürlich gilt: kommen nicht genug auditive Informationen an, muss das Gehirn die Lücken zu füllen. Es wird versuchen  die fehlenden Informationen zu ergänzen und muss dazu andere Gehirnregionen und Ressourcen mobilisieren, was letztlich zu Verstehensverlusten führt.

Ein  schlecht ablaufender mechanischer Hörprozess, und die damit zusammenhängende geringere  Stimulierung der Hörnerven , tragen insgesamt zu Verstehensdefiziten bei.  Selbst bei konstantem und sich nicht verschlimmernden Hörverlust kommt es aber zu einem Verkümmern der Hörnervenbahnen, mit erheblichen  negativen Konsequenzen auf das Verstehen.

Brain Exercising . Pixabay free lic.. By Tumisu
Brain Exercising . Pixabay free lic.. By Tumisu

Der Hörnerv reagiert wie eine Art Muskel. Fehlende Reize führen  zu einer Verringerung des Sprachverstehens. Der Hörnerv muss konstant trainiert bleiben. Diese fehlenden Reize können zwar durch Konzentration zeitweise kompensiert werden, aber nur auf Kosten einer starken Überbeanspruchung und damit Ermüdung des Gehirns insgesamt.

Hörverlust bedeutet also nicht nur Störung der Übertragungskette der auditiven Signale, sondern auch Hörentwöhnung der zentralen neuronalen Hörareale. Der Betroffene nimmt nicht nur weniger Signale wahr, er hat auch ein geringeres Sprachverstehen.

 

 

 

Es ist also nicht verwunderlich, dass  festgestellt wurde, dass hörbeeinträchtigte Menschen ein grösseres Risiko für kognitive Defizite haben. Die Ausgleichsanstrengungen des Gehirns wegen einem geringer stimulierten Hörnerv schränken es insgesamt bei seinem Verarbeitungs-und Wahrnehmungsprozessen ein. Je stärker der Hörverlust ist, desto gestresster ist das Gehirn, das sich besonders anstrengen muss. Hinzu kommt : je länger dieser Hörverlust andauert , weil nicht durch ein Hörgerät gegengesteuert wird, umso eher gewöhnt sich der Hörnerv an diese Situation. Es stellt sich eine Hörentwöhnung ein.

Auch deshalb empfehlen HNO-Ärzte oder Neurologen eine schnelle Versorgung mit Hörgeräten. Je schneller  die Hörnerven wieder angesprochen werden, umso geringer ist das nötige  Training und die Wiedergewöhnungszeit an die neue Hörwelt.